Berührungsarm aufgewachsen war es mir lange sehr fremd, Menschen ob nun Familie oder Freunde zu umarmen. Ein kraftvolles Händeschütteln war mir am Liebsten und sichersten. Ich war schon mit 13 groß gewachsen, so dass sich Andere auch nicht so ran trauten.
Wenn ich überrumpelt wurde, im Siegestaumel, vor Wiedersehensfreude oder weil mein Gegenüber eben „touchy“ war, genoss ich es meist. Mit zunehmendem Alter habe ich mich auch immer öfter selbst getraut und bemerkt, dass es oft die einzige wohltuende Antwort in einer Situation war und mehr ausdrückte als alles Gesagte. Und so wurde ich zum Fan der Berührungen, geradezu süchtig.
In der Liebe traute ich mich schon viel früher. Ein Kuss auf offener Straße, Händchenhalten, Umarmungen alles super! Gerade die kleinen Gesten sind mir die Liebsten, ein übers Haar oder Nacken streichen.
Seit 2007 ist das anders. Erst durch den Bandscheibenvorfall und dann erst recht durch den Unfall änderte sich alles. Jede Berührung ist seither vor allem eins, eine Quelle des Schmerzes.
Von leichtem Unbehagen bis „zuckendes Fleisch“ ist alles dabei.
Manchmal ist es nur ein weißer, heißer, gleißender Blitz, der durch meine Nerven zuckt, um dann schnell mit leisem Echo zu verglühen. Manchmal ist es nur Wind, der kühl meine Wange streift und den Schmerz aufglühen läßt, als wäre ich aus Lava. Oder die Tage an denen ich mein Gesicht nicht waschen kann, da das Wasser auf meinem Gesicht mich in einen dunklen Tunnel schleudern würde, in dem der Schmerz die Zeit auslöscht. Oder das Gefühl, meine rechte Gesichtshälfte würde wie eine Uhr von Dali nach unten hängen und wegfließen. Dieser Druck bei jeder Bewegung meiner Hände, dieses immer gegenwärtige „da ist was falsch, müde, lahm, hässlich und schmerzhaft.
Und so hat jeder Tag, jedes Wetter, jedes Kleidungsstück, jede Bewegung und jede Begegnung immer auch eine weitere Dimension, die des Schmerzes. Mein Körper versucht sich zu wappnen, innerlich versteift und „ready for impact“ hat er einen massiven Panzer gegen alles und jeden geformt. Dieses innere Anspannen, das wie eine 2. Natur geworden ist, dieses innere Misstrauen jeder Berührung und jeder Bewegung gegenüber.
Was für ein Glück, wenn man einen Physiotherapeuten gefunden hat, der es schafft, ohne zusätzliche Tortur meinen Körper zu entspannen und mir die Angst zu nehmen, meinen Körper wenigstens versuchsweise normal zu benutzen.
Wie wohltuend ist dieser Kater. Nie latscht er uneingeladen auf mir rum. Er legt sich in meine Nähe und läßt mich sein flauschiges Fell spüren oder legt mir sachte seine warme weiche Tatze auf den Arm. Er tut einfach nicht weh.
Das sind Ausnahmen. Keiner will mir wehtun, aber alle machen es. Sie können ja nichts dafür!
Mein Leben schmerzt, aber ich will und kann mich nicht aus allem und von jedem zurück ziehen! Sehne ich mich doch nach körperlicher Betätigung und Sport. Und sehne ich mich doch auch so sehr nach der liebevollen Berührung, obgleich sie schmerzt. Ist das Verlangen doch so groß, nicht unberührt leben zu wollen, nicht starr, steif und unbeweglich mein Leben auszuhalten.
Ja, Medikamente helfen, in der Badewanne rumliegen, läßt den inneren Panzer aufweichen und in den Armen meines Liebsten jubelt mein Herz. Eine Umarmung meines Sohnes ist mein Glück!
Alles aber hat seinen Preis!